Rede zur Stadtverordnetenversammlung 2019

Ende Schutzschirm 2012

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren,

dieser Tagesordnungspunkt ist ein Anlass für unsere Stadt, stolz darauf zu sein, dass wir in schnellstmöglicher Zeit das damals fast als unmöglich erscheinende Ziel erreicht haben. Vor uns stand die Aufgabe, Überziehungskredite von über 25 Millionen € abzubauen und außerdem innerhalb weniger Jahre ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Ich erinnere an die vielen fraktionsübergreifenden Besprechungen, an das Ringen darum, welche Kürzungen von Leistungen und welche Erhöhungen von Gebühren und Steuern machbar oder angemessen erschienen und wie man trotzdem soziale Bereiche, die keine Pflichtaufgaben waren, z.T. beibehalten könnte. Auch wie wir mit dem Bürgermeister, Verwaltungsbeamten, Stadtverordnetenvorsteher und wir Fraktionsvorsitzenden in Wiesbaden vorgeladen waren, um unsere Möglichkeiten zu erläutern und Anregungen mitzunehmen.

Aber auch Nackenschläge mussten wir hinnehmen, als sich z.B. die jährlich eingeplanten 270 000 € Pacht für Windräder in Luft auflösten. Wir haben es trotzdem geschafft.

Wir mussten harte Einschnitte vornehmen und der Bevölkerung eine Menge zumuten. Doch die überwiegende Mehrheit hatte mittlerweile begriffen, dass es so nicht weitergehen konnte, sonst hätten wir Ende 2012 dann schon die städtischen Konten um 28 Millionen überzogen. So sah die Planung aus. Wir sind deshalb den Rotenburgern dankbar, dass sie unsere Bemühungen ohne großes Murren unterstützt und zum Erfolg geführt haben.

Ein weiterer Glücksfall war der frisch gebackene Bürgermeister, unser Christian Grunwald, der mit großem Elan, einer Menge Fachwissen und dem starken Willen, die Schulden-macherei zu beenden, angetreten war und das Ziel nie aus den Augen verlor. Er über-nahm das Amt, als die Not am größten, die Hilfe aber auch am nächsten war. Man musste nur noch den Mut haben, die ausgestreckte Hand zu ergreifen. Er suchte nicht wie bisher die Schuldigen bei Bund, Land, Globalisierung und Konjunktur, sondern erkannte, dass es allein an uns selbst lag, das finanzielle Desaster zu beenden.  Auch ihm sei an dieser Stelle für seinen großen Einsatz gedankt.

Schließlich bedanken wir uns auch bei der Landesregierung, die zunächst 11 Millionen unserer Kontokorrentkredite übernahm und weitere 6,5 Millionen € Zinsbeihilfen zusagte.

Dieses Angebot konnte man nicht ablehnen, da man in jedem Fall innerhalb dreier Jahre gezwungen war, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Nur Narren oder falsch Informierte konnten solches Angebot ablehnen. Leider brachten Spitzenpolitiker aus Landes- und Kreis-SPD solche – neuerdings als fakenews genannte rein ideologisch begründete – Fehlinformationen heraus, indem sie behaupteten, wer unter den Rettungs-schirm des Landes schlüpfe, tue dies auf Kosten der „Schwachen“. Praktikable Vor-schläge, wie man die am meisten überschuldeten Kommunen wieder auf ein sicheres finanzielles Fundament stellen könnte, gab es seitens der SPD nicht. Leider konnten wir deshalb damals nicht einstimmig den Schutzschirmvertrag beschließen. Aber ich denke, es gibt heute niemand in diesem Raum, der daran noch zweifelt, dass dieser Vertrag eine gute Sache war, zumal sogar noch im letzten Jahr die letzten Kontokorrentkredite von über 6 Mio übernommen wurden, wofür wir keine Zinsen, sondern nur die Hälfte als Tilgung in den nächsten 9 Jahren zu leisten haben.

Wir danken auch allen Stadtverordneten, die 2012 den Schutzschirmvertrag beschlossen haben, denn ohne dieses Votum, könnten wir heute nicht all das anstoßen und uns leisten, was wir schon begonnen und in Angriff genommen haben.

Dies ist ein Tag der Freude über den Erfolg, den wir Rotenburger allesamt, Bevölkerung, Verwaltung und städtische Gremien in den letzten Jahren erreicht haben. Wir sollten uns aber davor hüten, unbedacht und leichtsinnig zu werden.

Haushaltsplan

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren,

der Haushaltsplan 2019 ist eine ungeheure Fleißarbeit der mit seiner Erstellung betrauten Mitarbeiter und gibt detaillierte Auskünfte, wie wir sie früher nicht hatten. Allerdings muss man sich an die neue Art der Aufstellung gewöhnen.

Natürlich sind auch ein paar kleinere Fehler unterlaufen, die aber den Wert der Arbeit nicht schmälern. Dass bei der Rückzahlung/Tilgung an die Hessenkasse statt 25 € je Einwohner in den Erläuterungen 50 € genannt werden, ist zwar falsch, beeinflusst aber nicht das rechnerisch richtige Ergebnis.

Zum Haushalt wurden diverse Anträge gestellt, auf die ich kurz eingehen will.

Auch die UBR hatte 3 Anträge gestellt:

Eigenkapitalverzinsung

Hier wollten wir einen sukzessiven Abbau der von den Stadtwerken an die Stadt abzuführenden Eigenkapitalverzinsung um jährlich etwa ein Drittel.

Hintergrund war, den Stadtwerken für die laufenden und noch notwendigen Investitionen mehr Eigenkapital zu überlassen und damit den Anstieg der Neuverschuldung geringer zu gestalten. Dass dadurch – leider – keine nennenswerte Gebührensenkung für die Bürger erreichbar sein würde, war klar. Zu verteilen wären nämlich nur derzeit relativ niedrige Zinsen und die zu erwirtschaftende Tilgung, nicht die Summe, die weniger an die Stadt gezahlt würde. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die EKV dauerhaft bei den Stadt-werken verbliebe, könnte sich dies erst nach mehreren Jahren gebührenmindernd auswirken.

Der Magistrat hat nun einen eigenen Antrag vorgelegt, die EKV für 2018 den Stadtwerken zu belassen und ab 2019 jährlich festzusetzen, ob und wenn ja wie hoch die Abführung sein soll. Eine gänzliche Abschaffung der EKV an die Stadt soll vermieden werden, um zu verhindern, dass bei Abschwächung der Konjunktur oder anderen Unwägbarkeiten, die die Finanzen der Stadt negativ beeinflussen könnten, dann das Geld fehlt. Dem können wir zustimmen und ziehen deshalb zugunsten des Magistratsantrags unseren Antrag zurück, da unserem Anliegen damit letztlich entsprochen wurde.

Unser 2. Antrag betraf das Jugendzentrum. Hierzu hatten wir in einer früheren Sitzung beschlossen, dass die Verwaltung ein Konzept erarbeiten sollte, um den tatsächlichen Bedarf festzustellen. Dieses konnte noch nicht vorliegen

Wir ändern unseren Antrag deshalb folgendermaßen um:

Für die Betreuungsarbeit im Jugendzentrum soll der Magistrat zumindest eine Beschäftigung im Rahmen einer 450 €-Einstellung vornehmen, sofern das im November beschlossene in Arbeit befindliche Konzept zum Antrag der UBR v. 18.10.2018 vorliegt und einen Bedarf bestätigt.

Begründung:

Wie sich die Fraktionen vor Ort überzeugen konnten, ist das Jugendzentrum (Juze) für die Jugendarbeit in Rotenburg allgemein und im besonderen für Kinder und Jugendliche aus  sozial schwächeren Familien eine unverzichtbare Anlaufstelle, wo man sich um sie kümmert. Durch vielfältige Projekte und die Angebote in den Ferien werden die hauptamtlichen Mitarbeiter schon jetzt über Gebühr zeitlich beansprucht. Es gibt kaum Vertretungs-möglichkeiten, wenn Mitarbeiter außer Haus tätig sein müssen.

Auch die Vernetzungen mit Schulen, Kirchen, amtlichen Dienststellen, Präventionsrat usw. sind ebenfalls ein wichtiger Teil der Jugendarbeit.

Aus all den Gründen ist es an der Zeit, über eine Entlastung der dort beschäftigten Mitarbeiter nachzudenken.

SPD-Antrag Straßenausbaubeiträge

Hierzu geben wir folgende Stellungnahme ab:

Eine Aufhebung unserer Satzung mit Verzicht auf anteilige Beteiligung der Anlieger ist für Rotenburg nicht möglich, da sie nicht gegenfinanziert werden kann. Die Möglichkeit, dies über eine Erhöhung der Grundsteuer zu bewerkstelligen, kommt für uns auch nicht in Frage, solange die gesetzlichen Vorgaben für die Grundsteuerreform fehlen. Wir wissen nicht, ob wir sie dann senken oder vielleicht sogar anheben müssten. Im Übrigen sind unsere Grundsteuern schon jetzt spitze und eine weitere Erhöhung somit unzumutbar.

Außerdem würden wir auf diesem Weg nur Besitzer von selbst genutztem Wohneigentum und Mieter von Wohnobjekten belasten, denn Vermieter können die Grundsteuer auf die Mieter umlegen, die Straßenausbaubeiträge nicht. Das empfinden wir als ungerecht.

Grundsätzlich sind wir auch der Meinung, dass das Land sich aus der Verantwortung geschlichen und den Schwarzen Peter uns Kommunen zugeschoben hat. Zumindest hätte das Land 30 – 50% der auf die Anlieger entfallenden Kosten übernehmen können. Eine komplette Freistellung von Straßenausbaubeiträgen könnte neue Probleme aufwerfen.

Wir befürchten, dass dann viele, die heute die Erneuerung als nicht notwendig bezeichnen, plötzlich genau ihre Straße als vordringlich zu sanieren ansehen und auch das Anspruchsdenken hinsichtlich des Ausbaus – Breite, Parkbuchten, Bäume usw. – massiv steigen wird.

Da die Bürgerinitiativen und viele andere wie z. B. Bürgermeister verstärkt Druck auf die Landesregierung machen, wozu wir ihnen natürlich Erfolg wünschen, sind auch wir der Auffassung, den Ausbau der im Haushalt genannten Straßen nochmals um ein Jahr zu verschieben, in der – allerdings geringen – Hoffnung, dass sich bis dahin einiges geklärt hat. Denn wenn wir jetzt ausbauen, müssen wir auch abrechnen und das wäre, falls sich etwas zum Positiven ändern sollte, für die Betroffenen mehr als ungerecht.

Den Fragenkatalog der SPD sehen wir als Arbeitsgrundlage für die Verwaltung an, uns entsprechende Antworten in Zusammenarbeit mit der Kommunalaufsicht zu liefern, damit alle Stadtverordneten in der Lage sind, gegenüber den Bürgern sachgerecht argumentieren und aufklären zu können.