Bürgschaft Hängebrücke

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren,

Vor etwa 2 Jahren wurde uns das Angebot eines Investors unterbreitet, der eine Hänge-brücke über das Kottenbachtal auf seine Kosten bauen wollte. Die Stadt brauche nur die Bauleitplanung ausführen.

Natürlich waren wir alle dafür. Ein solches Angebot lehnt man nicht ab. Später kamen noch 2 weitere Highlights hinzu, die Sommerrodelbahn, die auch ein Investor auf eigene Rechnung erstellen will und eventuell ein Mountainbike-Parcours. Ein Ensemble, das im Gesamtpaket tatsächlich eine Attraktion werden kann. Alles viel zu schön, um wahr zu sein.?

Wir hätten uns denken können, dass ein Pferdefuß versteckt ist. Es war immer so, dass die anfangs versprochenen rosigen Seifenblasen platzten und alles anders oder teurer wurde. So war es beim Muzkkka und auch beim Bütz, bei der Elbphilharmonie, beim neuen Berliner Flughafen oder der Gorch Fock und auch bei der Brücke in Bebra. Die Liste könnte beliebig verlängert werden.

Der einzige Unterschied zu unserer Angelegenheit ist, dass wir schon jetzt wissen, dass wir schamlos über den Tisch gezogen werden sollen.

Zum Bau der Hängebrücke und der Sommerrodelbahn benötigt man natürlich die Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer. Einer davon – dem der größte Teil gehört – will nur mit der Stadt verhandeln. Es handelt sich um ein Gelände mit rund 5,5 ha, wovon nicht alles benötigt würde. Die Stadt hätte die Grundstücke gern gekauft oder getauscht, doch der Eigentümer will aus persönlichen Gründen nur verpachten und zwar die Gesamt-fläche, was dem Bauhof für die Pflege Mehrarbeit beschert.

Nach monatelangen langwierigen und schwierigen Verhandlungen, die mehrfach am Rande des Scheiterns waren, sollen wir heute über eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 274 000 € für unsere MER beschließen, um dem von ihr bereits abgeschlossenen Vertrag Rechtskraft zu verleihen, mit dem die Pachtzahlungen für die nächsten 30 Jahre abgesichert werden sollen. Allen ist daran gelegen, dass eine langfristige Nutzung gewährleistet ist. Falls der Eigentümer zwischenzeitlich verkaufen wollte, hätte die Stadt ein Vorkaufsrecht.

Da die Pachtzahlungen bereits am 1.7.19 beginnen sollen, ist die Zeit zu knapp, um noch Änderungen erreichen zu können. Dies sei auch illusorisch, da der Vertragspartner zu keinerlei Zugeständnissen mehr bereit sei. So oder gar nicht!

Bis vorgestern fehlten uns wichtige Informationen und Antworten auf viele Fragen.

Ich persönlich mag es nicht, unter Zeitdruck zu stehen und zusätzlich das Gefühl zu haben, erpresst zu werden.

Ich meine damit nicht die Verwaltung, denn diese hat sich sehr bemüht. Sie wollte dem Investor schnell helfen und hat mit der Planung begonnen, bevor mit den betroffenen Eigentümern der Grundstücke abgeklärt war, welche finanziellen oder andere Forderungen diese für die Erlaubnis der Überquerung ihrer Grundstücke durch die Hängebrücke denn hätten. Das war blauäugig, denn der Eigentümer des Hauptgrundstücks war dafür bekannt, dass er das 1×1 der Dreifelderwirtschaft bestens beherrscht: „Getreide, Kartoffeln, Bauplätze“. In unserem Falle Investition der Hängebrücke und Erlebnispark. Ich habe jedoch Verständnis dafür, dass man sich damals noch nicht vorstellen konnte, was mit den jetzt vorliegenden – nach unserer Meinung unverschämten und erpresserischen – Forderungen auf die Stadt zukommen sollte.

Die Fakten:

Der übliche Pachtpreis für solches Gelände (5,5 ha) liegt bei etwa 1 Cent/qm jährlich, der Kaufpreis bei etwa 1,10 € /qm, also 550 € Pacht im Jahr bzw. 60 500 € Kaufpreis. Dass sein Gelände plötzlich mehr wert ist und er auch dabei etwas verdienen will, kann man dem Eigentümer nicht verdenken. Den fünffachen Pachtpreis könnte man durchaus noch akzeptieren, aber was er fordert, ist schlicht Wucher!

274 000 € : 30 Jahre sind 9 133,33 € jährlich, das 16,6-fache. Anpassungen gemäß Inflationsrate sind in Abständen vorgesehen. Nur wenn die Hängebrücke in den nächsten zwei  Jahren nicht gebaut wird, ist eine Kündigung des Vertrags vorgesehen. Die bis dahin gezahlte Pacht ist weg.

Nach 30 Jahren haben wir den kompletten derzeitigen Kaufpreiswert 4,5-mal bezahlt, aber das Grundstück gehört uns nicht einmal.

Dies zu akzeptieren würden viele unserer Bürger nicht verstehen, obwohl sie alle erwarten, dass die Verwaltung und auch die MER Maßnahmen in Gang setzen, mit der Handel und Tourismus Impulse erhalten und uns voranbringen. Nun haben Verwaltung und Geschäftsführung der MER viel Arbeit und Zeit in dieses Projekt gesteckt und wir alle stehen vor der Frage: Soll das alles umsonst gewesen sein?

Die Gegenfrage aber lautet: Kann/darf man sich so erpressen lassen? Wir meinen: Nein!

Wie sollen wir das unseren Bürgern erklären? Auf der einen Seite müssen wir ihnen sagen, dass wir die Grundsteuer leider noch nicht senken und auch nicht auf die Straßenausbaubeiträge verzichten können. Und dann sollen wir eine Bürgschaft über 274 000 € – nur diese Summe prägt sich ein – für die MER abgeben, damit ein Bürger Kasse machen kann?  Mir wurde in Diskussionen schon gesagt: Es sind doch nur gut 9000 € jährlich und die zahlt doch die MER. Meine Damen und Herren, die MER ist zu 100% Tochter der Stadt und jeder Cent, den sie ausgibt, kommt aus der Stadtkasse.

Eine ganz wesentliche andere Frage stellt sich auch noch.

Kann definitiv ausgeschlossen werden, dass die Stadt irgendwann für Hängebrücke und/oder Sommerrodelbahn in die Verantwortung genommen werden kann?

Unterhaltung, Betrieb oder gar Abriss bei Baufälligkeit könnten enorme Summen kosten.

Göbels Hotel will zwar die Brücke bauen und von einer eigens dafür gegründeten GmbH betreiben lassen. Dieser Investor muss sich aber auch verpflichten, die Kosten des Rück-baus zu tragen, wenn das nach Ablauf der Nutzung in spätestens 30 oder mehr Jahren erforderlich sein wird. Ein solcher Vertrag ist zwingend erforderlich, soll aber erst noch abgeschlossen werden.

Frage: Existiert die GmbH überhaupt schon und warum wurde der Vertrag noch nicht geschlossen?

Was ist, wenn innerhalb der 30 Jahre die Attraktivität der Brücke drastisch abnimmt und sich der Betrieb nicht mehr lohnt? Oder wenn die Betreiber der Projekte ihr Standbein und Engagement in Rotenburg aus irgendwelchen Gründen aufgeben oder aufgeben müssen?

Bei einem Pachtvertrag über 30 Jahre werden wir auch noch zahlen müssen, wenn die Anlagen z.B. schon nach 20 Jahren nicht mehr genutzt würden. Und wenn nicht zurück-gebaut wird, auch noch 30 + X Jahre. Sollte der Betreiber der Hängebrücke insolvent werden, müssten wir als Pächter die Kosten übernehmen, nicht der Eigentümer.

Das alles sind zugebundene Säcke mit Risikopotenzial.

Fragen wir uns mal ganz nüchtern, was bringt das Projekt der Stadt?

Zweifelsohne wird Rotenburg bekannter und um eine Attraktion reicher. Werden aber nicht alle Vorhaben realisiert, werden weniger Besucher kommen. Nach 1 bis 2 Jahren wird der Besucherstrom  ebenfalls geringer (Wiederholungseffekt und mehr Konkurrenz.) Es müssen laufend neue Besucherkreise erschlossen werden. Das stößt irgendwann an Grenzen.

Das Geschäft wird auf dem Berg gemacht, wobei allerdings erst mal die Investitions- und Betriebskosten erwirtschaftet werden müssen, was anfangs schon, aber langfristig durch-aus nicht unbedingt sicher ist. Hauptbetrieb wird in den Ferien und an Wochenenden sein, im Winter oder bei schlechtem Wetter dürfte nicht viel los sein.

In die Stadt selbst werden sich nur wenige verlaufen, wie man das aus anderen Orten kennt. Und wenn dann in der Stadt doch noch Geld ausgegeben wird, wird sich das  kaum über die Gewerbesteuer im Stadtsäckel bemerkbar machen.

Meine Damen und Herren, die UBR hat seinerzeit auch das angekündigte Vorhaben des Investors begrüßt. Der Investor wollte die Hängebrücke bauen und betreiben, die Stadt sollte nur die Bauleitplanung machen. Was aber heute beschlossen werden soll, geht weit darüber hinaus.

Jetzt sollen wir eine weit überteuerte Pacht über Jahrzehnte mit Anpassungen an die Teuerungsrate bezahlen, ohne die Möglichkeit vorzeitiger Beendigung, falls der Betrieb vorher eingestellt werden müsste. Das Risiko für die Stadt, eventuell bei Ausfall des Betreibers auch den Rückbau finanzieren zu müssen, scheint zwar gering, ist aber ebenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen.

Wir hoffen und wünschen den Vorhaben, wenn denn die Bürgschaft beschlossen wird – und danach sieht es ja aus – gutes Gelingen und vollen Erfolg.

Wir als UBR können allerdings nicht zustimmen, wenn die Stadt unseres Erachtens finanziell erpresst werden soll und außerdem nicht absehbare finanzielle Risiken möglich sind.

Unsere Abstmmung fiel dann doch ganz anders aus.  Warum der Sinneswandel?

Nach ausgiebiger Diskussion und einer von Fraktionsmitgliedern gewünschten Sitzungs-unterbrechung stimmten dann nur noch Wilfried Ross dagegen und Martin Hess enthielt sich. Dafür stimmten Barbara Brinkmann, Ute Gering und Hartmut Grünewald. Rolf Apel fehlte entschuldigt.

Grundsätzlich fanden wir ja die Vorhaben schon immer gut, störten uns aber an drei Dingen, die wir auch benannt und vorgetragen haben: Zeitdruck, überteuerte Pacht sowie mögliche finanzielle Risiken. Die Chance, dass letztere tatsächlich eintreten, ist zwar vorhanden, aber relativ gering. Die hohen Forderungen des Grundstückseigentümers ärgern auch die anderen Fraktionen.

Unsere Stadtverordnetenversammlung hat sich nun mal schon vor Jahrzehnten für die Standbeine Tourismus, Gesundheit und Bildungseinrichtungen entschieden. Wo wollen wir noch punkten, wenn nicht auf diesen Gebieten? In seinem Redebeitrag stellte der Bürgermeister nochmals die Chancen für die Stadt heraus und forderte dazu auf, einmal etwas zu wagen und nicht nur die eventuell möglichen  Nachteile zu sehen.

Der Schlüssel, der uns nochmals zum Nachdenken brachte, war jedoch der bildhafte Vergleich von Jonas Rudolf mit dem Kaninchen, das sich wegen Fuchs, Marder und Raubvogel nicht aus dem Bau traut, um das frische junge Gras zu äsen.

Und es ist tatsächlich so, dass man auch mal mutig etwas wagen muss, um Fortschritte zu erzielen. Hätten unsere Vorfahren immer nur Dinge getan, die 100% sicher sind, würden wir heute noch in Höhlen oder vielleicht auf Burgen leben. Deshalb änderten einige von uns dann doch ihre Meinung und stimmten zu in der Hoffnung, dass alles gut geht.