Antwort der UBR auf die Anfrage der Bürgerinitiative "Straßenbeitragsfreies Hessen"

im Namen meiner Fraktion bedanke ich mich für Ihr Schreiben vom 17.7.2018, das mir Ende Juli zugegangen ist. Zu Ihren Ausführungen nehme ich wie folgt Stellung:

Ob und welche Straßen 2019 ausgebaut werden, entscheidet sich bei der Genehmigung des Haushalts 2019. Vermutlich wird es bei den 3 Straßen bleiben, deren Ausbau 2018 verschoben wurde. Leider hat die Landesregierung den Schwarzen Peter an die Kommunen weitergereicht und sich aus der Verantwortung gestohlen.

Dass Bebra und andere Kommunen die Straßenbeiträge abgeschafft haben, kann für Rotenburg kein Maßstab sein. Rotenburg kann das nicht schultern. Manche Kommunen haben nun mal Geld genug,  andere nicht. Bebra hat es auch nicht. Man wird anderswo Leistungen kürzen oder Steuererhöhungen vornehmen müssen. Die Haushaltsgenehmigung Bebras war so schon schwierig.

Als erste Folge der Abschaffung der Straßenbeitragssatzung wird Bebra laut HNA 2018 und 2019 gar keine Straßen sanieren. Ob das richtig ist, steht auf einem anderen Blatt. Nur, was wird 2020 folgende? Auch wiederkehrende Beiträge sind auf Dauer viel zu teuer. 20 000 € Landeszuschuss pro  Abrechnungsgebiet bzw. 200 000 € für die Gesamtstadt reichen gerade mal für die Umstellung auf  wiederkehrende Beiträge (Software und Personalkosten für 2 qualifizierte Angestellte). An jährlichen Folgekosten muss mit etwa 150 000 € für Personal, Bescheide, Büromaterial, Widersprüche, Klagen etc. gerechnet werden. Im Folgenden zitiere ich aus meiner Rede zum Beschluss der  Stadtverordnetenversammlung, es bei Einmalbeiträgen zu belassen.

Was spricht gegen wiederkehrende Straßenbeiträge?

Um wiederkehrende Straßenbeiträge einführen zu können, bedarf es einer Vorlaufzeit von etwa 2 Jahren. In dieser Zeit ist ein Straßenzustandskataster (haben wir) zu erstellen, sowie eine Planung über 5 oder  mehr Jahre, welche Straßen saniert werden sollen. Es müssen geeignete Abrechnungsgebiete – nicht zu groß, aber auch nicht zu klein – festgelegt werden. Straßen, deren Sanierung noch nicht lange her ist, sind aus der späteren Abrechnung für entsprechende Jahre herauszunehmen, was die Sache für die anderen wieder verteuert. (Verschonungsregeln für gerade neu gebaute oder sanierte Straßen)

Nach Fertigstellung der Straße erfolgt nach Abzug anderer Gewerke (wie z.B. neuer Kanal) und des städtischen Anteils die Berechnung des umlagefähigen Aufwands. Dieser wird gemäß Satzung auf die Anlieger verteilt. Grundstücksgröße, Geschossflächenzahl, etc. sind dafür maßgebend. Je nach Länge der Abrechnungsperiode (10, 15, 20 oder 25 Jahre) erhalten die Grundstückseigentümer jährlich einen Bescheid über den zu zahlenden Beitrag. Kommt irgendwann eine Straße hinzu, die bisher befreit war, ändert sich für alle die Abrechnung und der zu zahlende Betrag

All dies macht schon zu Anfang den Kauf entsprechend brauchbarer Software nötig, deren Kosten bei rund 50 000 € + x liegt. Zudem ist eine permanente Pflege des Datenbestands notwendig und sehr aufwendig. Da jedes Jahr neue Bescheide erstellt und verschickt werden müssen, erhöhen sich natürlich auch die Kosten für Bürobedarf, Porto, Telefon usw. Wegen der jährlichen Bescheide steht außerdem zu erwarten, dass die Anzahl von Widersprüchen und auch Klagen sich nicht unwesentlich steigert, was den Verwaltungsaufwand und damit auch die Kosten zusätzlich erhöht.

Um all dies zu leisten, muss man mit einer Erhöhung des städtischen Personalbestands um mindestens zwei qualifizierte Stellen (Ing. + Verwaltungsfachmann) rechnen. Die Gesamtkosten dürften insgesamt bei rund 150 000 € jährlich liegen. Bei Abrechnungsperioden von nur 10 Jahren wären das gut 1 500 000 €, bei 20 Jahren über 3 Millionen plus Teuerungsrate.

Ein weiterer Nachteil

Da die Stadt aber den Aufwand für die Sanierung über die Abrechnungsperiode zwischenfinanzieren müsste, kommen natürlich auch noch die angefallenen Zinsen hinzu. Das heißt, auch wer den Beitrag sofort zahlen kann und will, wäre faktisch gezwungen, durch die wiederkehrenden Straßenbeiträge 20 oder mehr Jahre lang einen Kredit mit zu bezahlen, den er gar nicht will.

Soweit die Rede.

Auch Ihre Bürgerinitiative erkennt an, dass es trotzdem Mehrkosten und Mehrarbeit gibt. Allerdings gibt es leider nicht die Möglichkeit, die Grundsteuern zu erhöhen und die Mehreinnahmen zweckgebunden für die Straßensanierungen zu verwenden, denn Steuern sind generell nicht zweckgebunden. Hier irrt offensichtlich auch die CDU-Landtagsfraktion.

Außerdem: Hausbesitzer können die Grundsteuern auf die Mieter umlegen, die Straßenbeiträge nicht. Nur der Eigenheimbesitzer würde somit entlastet, aber der kleine Mieter müsste dann zahlen, während alle Vermieter, die den Wertzuwachs haben, fein raus sind. Ich glaube nicht, dass Sie das bedacht haben, denn es wäre keine gerechte Lösung! Man kann nicht ein Unrecht durch Schaffung einer neuen Ungerechtigkeit eliminieren. Und noch höhere Grundsteuern werden dann erst recht Neubürger abschrecken, da sie meist zunächst als Mieter zuziehen.

Eine Zwangsgleichschaltung der Zubra-Gemeinden mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen geht schon gar nicht.

Die Verantwortlichen – Verwaltung und Stadtverordnete – der Stadt haben sich sehr wohl mehrfach und verantwortungsbewusst mit dem Thema Straßenbeiträge befasst und werden das auch weiter tun. Ihnen das Gegenteil zu unterstellen, nur weil die Wünsche der BI nicht erfüllt sind, weisen wir zurück, denn es ist ungerecht und kränkend. Wenn angeblich 85% für die Abschaffung der Straßenbeiträge sind und in Rotenburg 1500 Bürger unterschrieben haben, kann dies nur gelten für den Fall, dass das Land die Kosten übernimmt. Wenn jedoch eine Grundsteuererhöhung oder Leistungskürzungen in der Kommune vorgenommen werden müssten, wie z. B. Schließung von Bädern oder anderen Sozialleistungen, wäre die Zustimmung sicherlich erheblich geringer.

Der ADAC ist als Unterstützer völlig ungeeignet. Er soll lieber vor seiner eigenen Tür kehren, da liegt Dreck genug.

Angeblich müsste das Land nur 38 Millionen € aufwenden, um die Abschaffung der Beiträge zu  finanzieren. Es wurden auch schon 48 und 60 Millionen genannt. All diese Summen erscheinen viel zu wenig. 38 Mio : 426 hessische Kommunen wären rund 90 000 je Kommune. Wie kommen solche Zahlen zustande? Wahrscheinlich, weil wegen der Proteste kaum noch Kommunen sich trauten, 2017 Straßen zu sanieren. Uns ist unverständlich, dass die Landesregierung hier kein belastbares Zahlenmaterial liefert, um die Diskussion zu versachlichen.

Allein die 3 in 2018 geplanten Straßenerneuerungen in Rotenburg hätten laut Haushalt 1,1 Mio € gekostet. Im günstigsten Fall hätte die Stadt 50% zu übernehmen, also 550 000 €. Die gleiche Summe würde veranlagt. Bei 426 Kommunen sind das 234 000 000 €. Nun gibt es auch größere Städte als Rotenburg. Die Kosten für das Land würden wahrscheinlich einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag ergeben. Und das jedes Jahr!! Die vollständige Übernahme der auf die Bürger zu veranlagenden Beiträge hätte natürlich auch negative Konsequenzen. Das Anspruchsdenken würde erheblich steigen. Jeder möchte dann seine Straße möglichst sofort und mit allen Schikanen ausgebaut haben. Der Erwartungsdruck auf die Verwaltungen und Parlamente wäre riesengroß. Für das Land würden die Kosten ins Unermessliche steigen. Insofern ist die Ablehnung des Landes zu verstehen. Unter diesem Aspekt dürfte auch eine andere Landesregierung Probleme mit der vollständigen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge haben.

Eine gute Regelung wäre jedoch gewesen, wenn das Land einen Anteil zwischen 25 – 50% der auf die Eigentümer zu verteilenden Kosten übernommen hätte. Das wäre eine gerechtere Lösung ohne negative Folgen gewesen.

Zu den Forderungen der Bürgerinitiative

Die Abschaffung der Straßenanliegerbeiträge bei zeitgleicher Erhöhung der Grundsteuern macht keinen Sinn,

  • weil Steuern generell nicht zweckgebunden sind
  • weil Grundsteuern auf die Mieter umgelegt werden können und dadurch neue Ungerechtigkeiten geschaffen werden
  • weil dies zugezogene Neubürger als Mieter erst recht abschrecken würde

Die Einführung wiederkehrender Beiträge ist selbst bei Anschubfinanzierung von 20000€ je Abrechnungsgebiet durch das Land auf Dauer viel zu teuer. In 20 Jahren fallen rund 3 Mio.  Mehraufwand für Personal-, Verwaltungs- und Sachkosten an. Mit weiteren Gehalts- und Preissteigerungen ist zu rechnen. Die in Rotenburg beschlossene Regelung des Einmalbeitrags mit Ratenzahlung bis 20 Jahre und Berechnung der nur tatsächlich anfallenden Zinsen ist passgenau und maßgeschneidert. Was die Landesregierung jetzt als Möglichkeit erlauben will, haben wir bereits beschlossen. Diese Möglichkeit ist besser als wiederkehrende Beiträge, denn der Mehraufwand entfällt. Außerdem kann jeder Bürger individuell je nach Leistungsfähigkeit den Zahlungszeitraum und damit die jährliche Höhe der Zahlung selbst mit der Stadt vereinbaren.

Die BI und die Bürger der betroffenen Straßen wollen angeblich keine Sanierung, da ihnen der Zustand genügt. Andere „schlechtere Straßen“ sollen vorgezogen werden. Welche denn? St. Florian lässt grüßen! Will man die eigenen Straßen jetzt verkommen lassen? Im Übrigen macht sich die BI mit dieser Aussage unglaubwürdig, denn sie will doch die Anlieger aller Straßen vertreten und nicht nur die ihrer drei  Sprecher.

Der Hinweis auf Versäumnisse der Vergangenheit bringt nichts. Die Pflichtaufgabe der  Straßenunterhaltung wurde wahrgenommen. Irgendwann reicht das aber nicht mehr und eine Sanierung muss sein. Hätte man früher saniert, hätte man auch bezahlen müssen.

Die Forderung nach besserem Dialog mit den betroffenen Bürgern und deren Anregungen in die  Planungen einzubeziehen – jedoch nur soweit möglich – unterstützen wir voll. Aller-dings müssen die Beschlüsse den gewählten Gremien vorbehalten bleiben. Sollten sich zukünftig andere Umstände, Aspekte oder nicht vorhersehbare Veränderungen der Problematik ergeben, sind wir immer bereit, darüber zu diskutieren und auch unsere derzeitige Auffassung neuen Erkenntnissen anzupassen, sofern diese überzeugend sind.