Rede zu den Wassergebühren
Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, In der letzten Sitzung wurde unser Antrag auf Reduzierung der Eigenkapitalverzinsung und Abführung an die Stadt andiskutiert. Unser Ziel war, den Stadtwerken etwas mehr Eigenkapital zu belassen, damit weniger Kredite aufgenommen werden müssen. Dies wurde vom Bürgermeister und anderen Rednern kritisch gesehen, da die Risiken für die Stadt größer seien als für die Stadtwerke. Diese stünden – auch laut Wirtschaftsprüfer – auf sehr gesunden Beinen und hätten dies eigentlich nicht nötig. Wie der Bürgermeister im Ausschuss ankündigte, soll unser Anliegen durch einen Antrag des Magistrats mehr als erfüllt werden, was wir begrüßen.
Heute sollen wir nun einer kräftigen Erhöhung der Wassergebühren zustimmen, weil den Stadtwerken sonst die Einnahmen nicht zur Deckung der Ausgaben reichen. Die bisherige Zählergebühr von 1€ mtl. wird nun Grundgebühr genannt und soll um 500% auf das Sechsfache angehoben werden. Allein diese Mehrkosten belaufen sich bei gleichem Verbrauch für ein EFH auf 64,20 € im Jahr. Machen wir das nicht, kostet uns das Wasser 3,46 € /cbm.
Bei einem Verbrauch von durchschnittlich 35 cbm/Person ergeben sich bisher folgende Werte
1 Person
2 Personen
ZG 1,07€ x12 = 12,84€
ZG 1,07€ x12 = 12,84€
und 35m3 x 3€ = 105€
und 70m3 x 3€ = 210€
Summe 117,84€
Summe 222,84€
Bei geänderten Gebühren ergeben sich folgende Werte
Berechnungen für 1 Person
Zähler-/Grundgebühr
Zähler-/Grundgebühr
Zähler-/Grundgebühr
1,07€ x 12 = 12,84€
3,21€ x 12 = 38,52€
6,42€ x 12 = 77,04€
+ 35m3 x 3,46€ = 121,10€
+ 35m3 x 3,27€ = 114,45€
+ 35m3 x 3,00€ = 105,00€
Summe 133,94€ (+16,10€)
Summe 152,97€ (+35,13€)
Summe 182,04€ (+64,20€)
Berechnungen für 2 Personen
Zähler-/Grundgebühr
Zähler-/Grundgebühr
Zähler-/Grundgebühr
1,07€ x 12 = 12,84€
3,21€ x 12 = 38,52€
6,42€ x 12 = 77,04€
+ 70m3 x 3,46€ = 242,20€
+ 70m3 x 3,27€ = 228,90€
+ 70m3 x 3,00€ = 210,00€
Summe 255,04€ (+32,20€)
Summe 267,42€ (+44,58€)
Summe 287,04€ (+64,20€)
Dies sind Steigerungen bei 1 Person von 13,66 %, 29,81% und 54,48 %, bei 2 Personen von 14,45 %, 20,01% und 28,81 %. Ab 4 – 5 Personen soll es ja sogar günstiger werden und für Großverbraucher erst recht.
Nun gibt es aber auch viele Haushalte, die weniger als 35 cbm /Person im Jahr verbrauchen, weil sie generell aus umweltpolitischen Gründen sparsam mit dem wertvollen Nass umgehen, Regenwasser nutzen oder ganztägig oder die ganze Woche auswärts arbeiten Für diese Gruppe ist der Unterschied noch erheblich gravierender.
Es bringt uns aber nicht weiter, die alleinstehenden oder sparsamen Leute gegen die Mehrpersonenhaushalte oder Großverbraucher auszuspielen, wie das im Ausschuss angeklungen ist. Gegenseitige Verdächtigungen wie: die einen würden Sozialneid schüren und die anderen die Wirtschaft hätscheln, sind weder ganz richtig noch ganz falsch.
Halten wir uns an die Fakten
Als ich 1993 in die Kommunalpolitk kam, gab es noch eine Grundwasserabgabe an das Land in Höhe von 0,45DM, wenn ich mich recht erinnere. Im Ballungsgebiet – vornehmlich im Ried – verdorrten die Wälder, da die Städte zu viel Wasser abpumpten. Für jeden cbm gefördertes Wasser – nicht verbrauchtes Wasser – mussten wir diesen Betrag an das Land abführen. Daraus wurden Programme finanziert zum Wasser sparen wie Bau von Zisternen, Nutzung von Regenwasser, Kauf wassersparender Wasch- und Spülmaschinen usw. Alle, Privatleute und Großverbraucher strengten sich an, möglichst viel Wasser zu sparen, was allerdings dann wieder den reinen Wasserpreis etwas steigen ließ wegen der Fixkosten. Es wurden Toiletten mit 2 Tasten eingebaut, Zisternen und Regentonnen im Garten genutzt und vieles mehr.
Vor allem die Stadtwerke selbst versuchten verstärkt, Leitungsverluste zu reduzieren, die damals sehr hoch waren. Gefördert wurden damals bis zu 1,1 Mio cbm und verkauft nur im Schnitt zwischen 800 000 – 900 000 cbm. Hier wurden erhebliche Verbesserungen erreicht.
Doch Wasserknappheit ist noch lange nicht passee. Es gibt heute auch bei uns Gegenden, wo Wasser mit Tankwagen herbeigeschafft werden muss und sogar in wasserreichen Gegenden wie dem Vogelsberg kann das passieren, da der unersättliche Großraum Frankfurt schon von dort sein Wasser herleitet und den Kommunen quasi das Wasser abgräbt. Wir haben Gott sei Dank genügend Wasser – NOCH! Der überaus trockene Sommer in diesem Jahr hat uns aber auch schon Grenzen aufgezeigt.
Bedenken Sie, bis der Regen das Grundwasser auffüllt, dauert es 90 Jahre lt. Herrn Heckeroth in der HNA. Wasser kann erst wieder weiter versickern, wenn die einzelnen Schichten sich wieder wie ein Schwamm vollgesogen haben. Von daher, meine Damen und Herren, der Klimawandel kommt stetig und nicht mehr mit kleinen Schritten. Trauen Sie nicht den fake-news eines Ignoranten wie Präsident Trump.
Deshalb: Oberstes Gebot muss heißen: „Wasser sparen!“
Wolfgang (gemeint ist Stadtverordneter Bodenstein), Du weißt, Wirtschaftlichkeit ist auch eines meiner Prinzipien, aber Wirtschaftlichkeit ist nicht alles. Langfristig kann Wirtschaftlichkeit in vielen Fällen auch zu massiver Unwirtschaftlichkeit führen wegen nicht beachteter möglicher Folgekosten.
Und wenn erst mal Wasser auch in Rotenburg knapp würde wird es teuer, sehr teuer!
Das hat nichts mit Wirtschaftsfeindlichkeit zu tun, sondern ist reine Vorsorge und auch und gerade im Interesse unserer heimischen weißen Industrie. Denn wenn erst bei uns auch einmal das Wasser knapp wird, wird sie am meisten darunter leiden. Der Ein- und Zweipersonenhaushalt kommt auch schon mal 2 Wochen damit aus, sein Trinkwasser über Sprudel abzudecken, die Kliniken aber nicht. Wenn wir also gegen die Erhöhung der Grundgebühr um 500% stimmen, sind wir nicht wirtschaftsfeindlich oder sozialduselig, sondern handeln im Gegenteil aus Sorge um die Zukunft unserer Kliniken und anderer Großverbraucher.
Hier gilt auch das Sprichwort: „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.“
Die Diskussion im Ausschuss, welche Nachbarkommunen schon eine höhere Grundgebühr haben und dass dies in der Bevölkerung keine großen Diskussionen ausgelöst habe ist müßig. Wir sind in unserer Entscheidung frei und autark. Das ist kommunale Selbstverwaltung. Wir müssen die Prioritäten so setzen, wie wir es für richtig halten. Natürlich haben wir Verständnis für die Verwaltung der Stadtwerke, die besser mit fixen Einnahmen rechnen möchten. Vorrangig sehen wir aber die Priorität beim Wasser sparen. Kommen wir noch einmal auf die Vorschriften des KAG zurück.
Da heißt es im § 10 (3): „Die Gebühr ist nach Art und Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen. In der Satzung können Mindestsätze festgelegt werden. Die Erhebung einer Grundgebühr neben einer Gebühr nach Abs. 1 und 2 ist zulässig.“ Das bedeutet, wir könnten z.B. nur Benutzungsgebühren und die nach dem Verursacheroder Äquivalenzprinzip erheben, denn die Erhebung einer Grundgebühr muss nicht sein, sie ist nur zulässig.
In Absatz 2 sind übrigens die anrechenbaren Kosten genannt, unter anderem „eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals.“ Was aber ist eine angemessene Verzinsung des Anlagekapitals? Sind das die 4,5%, die wir eingeführt haben oder gar die 6% gesetzlicher Zinssatz bei säumiger Zahlung oder etwa noch mehr, weil man allein mit der Afa nach Ablauf der Abschreibung die neue Investition meist nicht realisieren kann? Vielleicht ist die angemessene Verzinsung aber auch nur das jeweilige Zinsniveau von Spargeldern – also rund 1 % derzeit. Es könnte auch die Inflationsrate sein, wenn man am Ende der Abschreibungszeit eine neue Anlage errichten will. Dann aber müsste Grundbesitz außen vor bleiben, denn der verliert seinen Wert normalerweise nicht, weshalb er auch nicht abgeschrieben werden kann.
Für die UBR ist mit einer Grundgebühr von 3,21€ brutto eigentlich die Grenze des Zumutbaren erreicht. Wir Stadtverordnete dürfen uns nicht mehr als unbedingt nötig dafür hergeben, die sogenannte zweite Miete unserer Bürger unverhältnismäßig zu erhöhen.
Uns allen war und ist bewusst, dass wir in den letzten Jahren unseren Bürgern in Punkto Gebühren und Steuern viel zugemutet haben. Wir haben die Grundsteuern massiv erhöht und gleichzeitig auch die Gebühren für Wasser und Kanal, um die Abführung von mehreren hunderttausend € Eigenkapitalverzinsung an die Stadt zu schultern. Mit Hilfe des Landes haben wir einen Großteil unserer Kontokorrentkredite entschulden können. Die geringe jährliche Tilgung für den Rest belastet uns nicht sehr. Wir haben mitgemacht, die MER zu gründen, um Impulse für mehr wirtschaftliche Erfolge zu initiieren. Dies bereuen wir auch nicht, denn ein guter Geschäftsführer hält bisher, was wir uns von ihm erhofften.
Ich möchte noch einen wichtigen Gesichtspunkt erwähnen. Der Wechsel von den Zählergebühren, die ausschließlich für die Bereitstellung der Messeinrichtung festgesetzt waren, zu Grundgebühren, die zumindest einen Teil der Fixkosten abdecken sollen, verändert die rechtliche Situation.
Das bisher gewahrte Verursacherprinzip – hier Zähler gegen entsprechend der Leistung gezahlte Gebühr – wird im Bereich Leistung auf die Fixkosten insgesamt erweitert. Jetzt kann nicht mehr nur auf die Leistung Zähler der Bezug hergestellt werden, sondern es geht um Fixkosten jeder Art. Der Gleichbehandlungsgrundsatz deshalb mit einer Gebühr, die allein auf den Querschnitt/Durchfluss der Leitung abstellt, nicht mehr gewährleistet. Bisher hatten wir eine Zählergebühr von 1€ monatlich und 12€ jährlich. Sie entsprach auch früher etwa den Kosten, die ein neuer Zähler nach Ablauf der Eichfrist verursachte. Sobald die Zählergebühr nämlich Grundgebühr wird, dient sie nicht mehr nur der Deckung der Kosten für das Messen des Verbrauchs, sondern generell zur Abdeckung eines Teils der Fixkosten. So ist das ja auch jetzt gedacht!
Es gibt 2- 4-und auch 6-Familienhäuser, die nur einen kleinen Wasserzähler haben. Wenn eine alleinstehende Person im Einfamilienhaus 60€ Grundgebühr bezahlen soll und in Mehrfamilienhäusern z.B. für eine Wohnung im 6-bzw. 4-Familienhaus nur 10€ bzw. 15€ jährlich, dann verstößt dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, denn es ist doch klar, dass der Einfamilienhausbewohner eklatant schlechter behandelt wird als die 18 Personen im 6er-Block. Auch bei den Grundgebühren muss das Äquivalenzprinzip gewahrt werden, was da heißt: Die Gebühr darf nicht im Missverhältnis zur angebotenen Leistung stehen. Die Leistung im vorliegenden Fall (anteilig Fixkosten) ist identisch. Dann muss auch die Gebühr identisch sein.
Um rechtlichen Ärger zu vermeiden, schlagen wir deshalb als Vermittlungsvorschlag vor:
- Die Zählergebühr wird auf 3,21 € brutto angehoben
- Die Stadtwerke werden beauftragt, festzustellen, welche finanziellen Auswirkungen es hätte, als Basis einer Grundgebühr nicht mehr allein auf die Verbrauchsleistung von Messeinrichtungen abzustellen. Bei Mehrfamilienhäusern, Bürogebäuden und gemischt genutzten Gebäuden sollte mindestens die niedrigste Grundgebühr je Wohnung, Büro, Laden, Praxis etc veranlagt werden.
- Bei der nächsten Gebührenkalkulation kann dies dann – falls sinnvoll – bei einer Grundgebührenfestsetzung berücksichtigt werden.
Nachtrag: Unser Antrag wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt und die Erhöhung auf 6€ Grundgebühr plus 0,42 MwSt. beschlossen.
Wir möchten Sie alle um Zustimmung bitten, denn eine Erhöhung der Zählergebühr um 500% auf 60 € jährlich ist das falsche Signal oder möchten Sie eine Überschrift in der Presse, die lauten könnte: Rotenburger werden für Wassersparen bestraft!