Rede zur Änderung der Hauptsatzung (TOP 6)
Unter o.g. Punkt steht. dass auch die Wahlbekanntmachungen nur noch im Internet veröffentlicht werden sollten, in der HNA sollte nur noch ein Hinweis auf die Website (www.rotenburg.de) erscheinen.
Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, die UBR wird gegen diese Vorlage der Verwaltung stimmen. Ich will das auch begründen:
Es ist zwar richtig, dass eine Mehrheit unserer Bürger die neuen Medien nutzen, aber es gibt – und es wird sie auch weiterhin geben – eine nicht unbedeutende Minderheit von schätzungsweise mindestens 20%, die, auch wenn sie einen PC oder Laptop haben, trotzdem aus nachvollziehbaren Gründen keinen Internetanschluss haben und diesen auch nicht wollen. Es sind vorwiegend ältere Menschen, die z.T. durchaus einen Laptop besitzen, diesen aber nur zum Schreiben nutzen und mit Internet etc. nichts am Hut haben, weil sie damit auch nicht umgehen können.
Für diese soll es dann im Rathaus eine Stelle geben, wo die Wahlbekanntmachungen öffentlich zur Einsicht ausgehängt werden. Ich persönlich bin noch so mobil, dass ich hingehen und dort nachlesen könnte. Das ist aber auch schon längst nicht allen Senioren mehr möglich. Gehbehinderten mit oder ohne Rollator zuzumuten, sich vor eine Wand zu stellen und dann diese kleingedruckten Bekanntmachungen zu lesen, wobei schon wegen des Abstands die Lesebrille versagt, ist eine Zumutung. Kranke und erst recht Bettlägerige sind gar nicht in der Lage, sich ins Rathaus zu begeben. Sie alle werden von einem rechtzeitigen Erhalt und Kenntnisstand dieser Informationen ausgeschlossen oder zumindest gehindert.
Es wird dann 2 Klassen von Wählern geben. Solche, die alle Informationen immer sofort haben und solche, die möglicherweise erst 2 Tage vor der Wahl erstmals die Kandidatenliste auf dem Musterwahlzettel zu Gesicht bekommen. Vor allem bei der Kommunalwahl ein Unding. Diese Unzahl von Listen und Kandidaten muss man tagelang studieren können, um sich ein Meinungsbild zu verschaffen, wen man wählen möchte. Das ist eine Ungleichbehandlung, denn es ist nicht gewährleistet, dass alle Wähler gleichen Zugang zu allen Informationen haben. Gerade bei Wahlen halten wir dies für sehr bedenklich und sind auch nicht sicher, ob dies rechtlich überhaupt zulässig ist.
Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass die so Benachteiligten dann das Wählen gleich ganz lassen, weil es für die Briefwahl zu spät und das Erreichen des Wahllokals zu beschwerlich ist und man sich sowieso nicht vorbereiten konnte, was und wen man wählen möchte. Die Wahlbeteiligung dürfte weiter sinken. Heute ist es für viele Jugendliche schon uncool, zur Wahl zu gehen. Will man die Älteren und Behinderten jetzt auch noch verprellen?
So praktiziert man keine Bürgernähe, sondern baut gerade für Benachteiligte in unserer Gesellschaft (ältere Menschen, Behinderte, Migranten usw.) unnötige Hürden auf, die sie an der Ausübung ihrer Rechte behindern.
Das kann auch durchaus prozentuale Nachteile für solche Kandidaten und Parteien bringen, die sich gerade für solche Menschen einsetzen. Wir haben nichts gegen die fortschrittsgläubigen Anhänger der neuen Technologien, aber man sollte sie nicht direkt oder indirekt anderen aufzwingen wollen. Nach deren Auffassung dürfte es wohl Menschen wie mich, die sich nicht fürs Internet interessieren, überhaupt nicht geben. Habt Ihr mal daran gedacht, wie es in 30/40 Jahren sein könnte, wenn Ihr alt seid und die Technik sich mit gleicher Rasanz wie derzeit weiter entwickelt hat? Wollt Ihr dann auch abgehängt werden?
Es zeugt schon von einer gehörigen Portion Arroganz, überhaupt nicht einmal daran zu denken, dass man die Interessenvertreter einer nicht unbedeutenden Minderheit auch mal um eine Stellungnahme bitten könnte. Wozu haben wir denn einen Seniorenbeirat und einen Behindertenbeauftragten?
Ich habe im Ausschuss gefragt, ob man denn den Seniorenbeirat um eine Stellungnahme hierzu gebeten habe. Eine Antwort erhielt ich nicht. So habe ich mir erlaubt, gestern selbst sowohl beim Seniorenbeirat als auch beim Behindertenbeauftragten nachzufragen, was sie von dieser geplanten Neuerung halten. Der Behindertenbeauftragte sieht ähnliche Probleme wie wir und wollte gestern noch dem Bürgermeister eine entsprechende Mail schicken. Vom Seniorenbeirat habe ich mit dem Vorsitzenden und zwei Mitgliedern gesprochen. Ergebnis: Der Seniorenbeirat wurde mit dieser Frage gar nicht befasst und alle hatten persönliche Bedenken gegen diese Änderung der Hauptsatzung. Im Übrigen bestätigte man mir, dass es gerade bei den älteren Menschen doch viele gebe, die mit PC und Internet nicht umgehen können.
Jonas Rudolph (Fraktionsvorsitzender der CDU) hat im Ausschuss sich etwa so geäußert, die Veröffentlichung in der Zeitung bringe doch auch nichts, da eh nur etwa 30% eine Zeitung abonniert hätten. Das stimmt faktisch, ist aber zu kurz gesprungen, d.h. nicht zu Ende gedacht. Wer liest denn noch regelmäßig die Tageszeitung? Das sind gerade die Älteren, die sich für die Familiennachrichten wie Hochzeiten und Sterbefälle interessieren und sich über die öffentlichen Bekanntmachungen informieren wollen. Wenn hier immer mehr gestrichen und ins Internet verlagert wird, lohnt sich für diese die Zeitung bald auch nicht mehr.
Mit diesem Vorschlag schießt man über das Ziel hinaus. Ich persönlich bedauere heute, dass ich damals der Änderung hinsichtlich Veröffentlichung von Satzungen etc. zugestimmt habe, weil ich dachte, man könne sich den neuen Medien nicht ganz verschließen. Wie ich heute sehe, ist es aber wie immer. Gibt man den kleinen Finger, will man als nächstes die ganze Hand. Was wäre denn als Nächstes dran?
Wir lehnen diese Vorlage grundsätzlich ab!