Rede zu einmaligen oder wiederkehrenden Straßenbeiträgen

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren Stadtverordnete, sehr geehrte Mitbürger und Gäste, vorige Woche haben wir mehr als 3 Stunden interessiert den Ausführungen von Prof. Arndt aus Kiel zugehört, der uns sachlich und objektiv über die verschiedenen Abgabenarten wie Steuern, Gebühren und Beiträge und deren zu beachtende Besonderheiten informierte und dann die Unterschiede von einmaligen und wiederkehrenden Straßenbeiträgen detailliert herausarbeitete.

Klarstellung

Es geht hier nicht um die erstmalige Erschließung von Grundstücken durch eine Straße oder kleinere Reparaturen, sondern um eine grundhafte Sanierung, weil ständige Reparaturen auf Dauer teurer wären.

Keine Frage, am liebsten würden wir alle gar keine Straßenbeiträge bezahlen, was leider nicht möglich ist. In einem Leserbrief heute in der HNA werden Großtädte wie Hamburg und Berlin als leuchtende Beispiele angeführt, weil sie angeblich gar keine Straßenbeiträge erheben. Ich weiß nicht, ob das richtig ist. Sollte es aber stimmen, müssen dort die Bürger auf andere Art zur Kasse gebeten werden oder auf Leistungen verzichten. Doch gerade Berlin verlässt sich auf die Solidargemeinschaft der anderen Bundesländer und wir Hessen zahlen dann deren Straßensanierungen durch den Länderfinanzausgleich. Das zu loben ist pervers.

Im Übrigen haben wir in Hessen die gesetzliche Pflicht, Straßenbeiträge zu erheben, um unsere Haushalte auszugleichen.

Die Kosten notwendiger Grundsanierungen von Straßen fallen an und die Unternehmer wollen ihr Geld. Die Stadt ist verpflichtet, einen Teil – je nach Bedeutung der Straße für die Allgemeinheit – selbst zu übernehmen (25%,50%,75%), der Rest ist auf die anliegenden Grundstückseigentümer umzulegen, die ja auch den Nutzen davon haben, denn ein bebautes Grundstück ohne ordentliche Zufahrt ist weniger wert. Vorschläge gibt es genug: eine Finanzierung aus der Grundsteuer, der KFZ-Steuer usw. wird angeregt. Steuern haben jedoch keine Zweckbindung und dienen schon anderen Aufgaben des Staates bzw der Stadt für die Allgemeinheit. Man müsste also die Steuern erhöhen und – Sie ahnen es schon – letztlich zahlt der Bürger sowieso die Zeche.

Wenn schon Beiträge, dann aber gerecht, sagt jeder. Doch völlige Gerechtigkeit unter Berücksichtigung aller individuellen Fallunterschiede gibt es schlichtweg nicht. Außerdem versteht jeder unter Gerechtigkeit subjektiv etwas anderes, je nachdem, welche Interessen er selbst hat. Da aber Abgaben nur aufgrund von Gesetzen oder Satzungen erhoben werden dürfen, die für alle gelten – andernfalls kann sie das Verwaltungsgericht bei einer Klage aufheben – können nur einzelne krasse Fälle durch sogenannte Verschonungsegeln berücksichtigt werden wie z.B. Anlieger an 2 Straßen.

Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen der Einmaligen und der Wiederkehrenden Straßenbeiträge

Wiederkehrende Straßenbeiträge vermeiden das plötzliche Entstehen von Lasten, also hohen und sehr hohen Straßenbeiträgen für Grundstückseigentümer, die manchmal von etlichen nicht mehr zu schultern sind. Dies scheint aber schon der einzige Vorteil zu sein, denn eine Finanzierung über allgemeine Steuern geht nicht, da Steuern nicht zweckgebunden sind.

Was spricht gegen wiederkehrende Straßenbeiträge?

Um wiederkehrende Straßenbeiträge einführen zu können, bedarf es einer Vorlaufzeit von etwa 2 Jahren. In dieser Zeit ist ein Straßenzustandskataster (haben wir) zu erstellen, sowie eine Planung über 5 oder mehr Jahre, welche Straßen saniert werden sollen. Es müssen geeignete Abrechnungsgebiete – nicht zu groß, aber auch nicht zu klein – festgelegt werden. Straßen, deren Sanierung noch nicht lange her ist, sind aus der späteren Abrechnung für entsprechende Jahre herauszunehmen, was die Sache für die anderen wieder verteuert. (Verschonungsregeln für gerade neu gebaute oder sanierte Straßen)

Nach Fertigstellung der Straße erfolgt nach Abzug anderer Gewerke (wie z.B. neuer Kanal) und des städtischen Anteils die Berechnung des umlagefähigen Aufwands. Dieser wird gemäß Satzung auf die Anlieger verteilt. Grundstücksgröße, Geschossflächenzahl, etc. sind dafür maßgebend.

Je nach Länge der Abrechnungsperiode (10, 15, 20 oder 25 Jahre) erhalten die Grundstückseigentümer  jährlich einen Bescheid über den zu zahlenden Beitrag. Kommt irgendwann eine Straße hinzu, die bisher befreit war, ändert sich für alle die Abrechnung und der zu zahlende Betrag. All dies macht schon zu Anfang den Kauf entsprechend brauchbarer software nötig, deren Kosten bei rund 50 000 € + x liegt. Zudem ist eine permanente Pflege des Datenbestands notwendig und sehr aufwendig. Da jedes Jahr neue Bescheide erstellt und verschickt werden müssen, erhöhen sich natürlich auch die Kosten für Bürobedarf, Porto, Telefon usw.

Wegen der jährlichen Bescheide steht außerdem zu erwarten, dass die Anzahl von Widersprüchen und auch Klagen sich nicht unwesentlich steigert, was den Verwaltungsaufwand und damit auch die Kosten  zusätzlich erhöht. Um all dies zu leisten, muss man mit einer Erhöhung des städtischen Personalbestands um mindestens zwei qualifizierte Stellen (Ing. + Verwaltungsfachmann) rechnen. Die Gesamtkosten dürften insgesamt zwischen 150 000 und 200 000 € jährlilch liegen. Bei Abrechnungsperioden von nur 10 Jahren wären das gut 1 500 000 €, bei 20 Jahren über 3 Millionen plus Teuerungsrate.

Da die Stadt aber den Aufwand für die Sanierung über die Abrechnungsperiode zwischenfinanzieren müsste, kommen natürlich auch noch die angefallenen Zinsen hinzu. Das heißt, auch wer den Beitrag sofort zahlen kann und will, wäre faktisch gezwungen, durch die wiederkehrenden Straßenbeiträge 20 oder mehr Jahre lang einen Kredit mitzubezahlen, den er gar nicht will.

Wer soll nun den Mehraufwand bezahlen?

Auch das Anspruchsdenken steigt enorm. Wird nämlich ihre Straße dann endlich saniert, wollen sie die genauso schön wie die Straße gegenüber, genauso breit, mit Radweg, Parkbuchten, Bäumen usw. Ist das nicht möglich, fühlen sie sich ungerecht behandelt, erheben Widerspruch und klagen. Bei einmaligen Beiträgen soll dagegen möglichst lange repariert werden und man will nur notwendige Maßnahmen, damit die Kosten nicht uferlos steigen, denn es soll ja möglichst wenig kosten. Die nötige Balance zu finden zwischen immer wieder reparieren oder zu früh sanieren, wenn der Druck aus den Reihen der Anlieger zu stark wird, ist sehr schwierig. Steigt die Frequenz der Straßensanierungen, müssen andere wichtige Maßnahmen zurückgestellt werden.

Soweit dem beitragsfähigen Sanierungsaufwand zurechenbar die Beitragspflichtigen, der Rest aus dem städtischen Haushalt, also alle Bürger. Wäre das sinnvoll und gerecht? Mit Sicherheit nicht. Unmut bei vielen Bürgern könnte auch dadurch entstehen, dass sie z.B. 15 Jahre zahlen, ihre eigene Straße aber erst im Jahr 20 zur Sanierung ansteht. Ihre Straße soll natürlich auch bald gemacht werden. Mit anderen Worten: Der Sanierungsdruck aus den Reihen dieser Bürger wird größer.

Im Übrigen ist in Hessen die Rechtsprechung zu den wiederkehrenden Beiträgen nicht einmal in den Kinderschuhen, sondern komplett jungfräulich. Das bedeutet, dass wir uns bei allem, was wir tun wie z.B. Zuschnitt der Abrechnungsgebiete, usw. auf trügerischem, schwankendem Boden befinden. Bei erfolgreichen Klagen gegen Bescheide käme eine Flut zusätzlicher Arbeit auf die Verwaltung zu mit Bescheidänderungen etc und auch Verlusten von Beiträgen zu Lasten der Stadt. Dieses Risiko möchten wir nicht eingehen.

Sind also „wiederkehrende Straßenbeiträge“ eine Mogelpackung?

Wir glauben dies, denn es wird die Illusion einer scheinbaren Entlastung der Bürger suggeriert, in Wahrheit aber entstehen auf längere Sicht höhere Kosten und damit auch höhere Gesamtbeiträge für dieselbe Maßnahme. Nach all diesen Überlegungen haben wir uns entschieden, es bei einmaligen Beiträgen zu belassen.

Wie kann man aber in berechtigten Notfällen den Bürgern entgegenkommen?

Es gibt sicherlich auch Fälle, in denen Beitragspflichtige wegen der Höhe des Einmalbeitrags, geringen  Einkommens oder sonstiger Gründe finanziell überfordert sind. Ältere Rentner haben z.B. nicht selten Schwierigkeiten, von ihrer Bank noch einen Kredit zu bekommen und wenn doch, zu kurzfristig oder zu überhöhten Konditionen. Hier muss die Stadt helfen, was sie auch kann, da die Beiträge als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen, also bei Verkauf, im Erbfall oder bei Versteigerung abgesichert sind.

Eine Erhöhung des städtischen Anteil um jeweils z.B 5% können wir nicht gutheißen. Für eine wirkliche Entlastung in besonders krassen Fällen ist es zu wenig, für die Finanzen der Stadt jedoch ein erheblicher Brocken, da alle davon profitieren. Dafür haben wir keinen Spielraum, denn es hindert uns daran, die noch vorhandenen Überziehungskredite von etwa 10 Millionen € abzubauen, denn diese Beträge fehlen dann. Die Stadtverordnetenversammlung hat vor 2 Jahren beschlossen, jährlich 400 000 € in die Tilgung  dieser Kredite zu stecken, was schon 25 Jahre dauern würde, um auf Null zu kommen. Deshalb muss mehr getilgt werden und nicht weniger.

Uns schwebt vor, die bisherigen Möglichkeiten nach KAG und Abgabenordnung wie Stundung und  Ratenzahlung wohlwollend zu erweitern (in Bezug auf die Dauer) und anzuwenden, soweit das gesetzlich möglich ist. Soweit eine Verzinsung zu fordern ist, sollte diese nur mit dem real der Stadt entstandenen Zins, jedoch nicht mehr als dem gesetzlichen Zins berechnet werden, da die Stadt keine Bank ist, die Zinsgewinne realisieren muss oder darf.

Wir fordern die Verwaltung auf, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten und der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.

Wir haben dann für die, die nicht sofort alles zahlen können, eine Möglichkeit ähnlich der wiederkehrenden Beiträge geschaffen, allerdings ohne neue zusätzliche Kosten zu produzieren.  Andererseits müssen die, die den Einmalbeitrag auf einmal zahlen können und wollen, nicht jedes Jahr mit Bescheiden belästigt werden. Ihnen werden auch keine dieser Mehrkosten aufgebürdet. Wir glauben, dass so das Beste für alle herauskommt, nämlich:

  • Vermeidung von erheblichen Mehrkosten für Beitragspflichtige, Stadtverwaltung und alle Bürger
  • aber auch Entlastung und Vermeidung von Härten bei denen, die durch hohe Beiträge in Not geraten, indem wir das Zahlungsziel strecken ähnlich der Regelung wiederkehrender Beiträge

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit