Rede zur Kita-Gebührensatzung

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, Der Staat hat eine Verpflichtung zu einer gewissen Grundversorgungsleistung gegenüber allen Familien mit Kindern ohne Berücksichtigung des Elterneinkommens. Das gilt auch für die Stadt.

Wir sind der Ansicht, die Kinderbetreuung müsste vom Staat komplett und für alle übernommen  werden und der Besuch generell kostenlos sein. Dafür müsste man nur die Senkung des Spitzensteuersatzes wieder teilweise zurücknehmen. Ich denke, darin sind wir uns alle einig und es ist unverständlich, dass andere Bundesländer, die sich vom angeblich reicheren Hessen aushalten lassen, das können und wir nicht. Hier müssen Bund und Länder gemeinsam initiativ werden, kooperieren und ihre Pflichten erfüllen, um kostenlosen Kindergarten mit Mittagessen zu ermöglichen. Hier wäre das Geld ohne Umwege an die richtige Stelle gelangt, während die kürzlich vom Bund aufgelegten milliardenschweren Programme nur den Behördenwasserkopf zusätzlich und kostenträchtig aufblähen und dann immer noch nicht jedes Kind das erhält, was ihm zusteht, weil es z.B. nicht beantragt oder abgelehnt wird.

Wir als kleine Stadt an der Basis sind die falschen Ansprechpartner, um das, was die Rotenburger SPD als Gerechtigkeit und sozialen Fortschritt versteht, umzusetzen. Die Staffelgebühren sind nämlich gar nicht so sozial und gerecht, wie man glauben machen will. Und das in mehrfacher Hinsicht.

Sogenannte Besserverdienende mussten in unserer Stadt bis zu 3 600€ jährlich zahlen, während nicht so gut Betuchte für die gleiche Leistung weit unter Wert nur 912€ berappen mussten. Dies schafft sozialen Unfrieden und zwar nicht nur innerhalb der Rotenburger Bürger, sondern auch im Vergleich zu den Bürgern all unserer Nachbargemeinden. Warum zahlt ein Rotenburger nur 60€ und ein Bebraner 92€ für die Halbtagsbetreuung, während ein anderer Rotenburger 240€ zahlt?

Aber selbst innerhalb der Gruppe der Besserverdienenden wird das eh schon vorhandene finanzielle Ungleichgewicht zwischen denen mit Kindern und den Personen/Paaren ohne Kinder zusätzlich verschärft. Erstere werden zusätzlich kräftig zur Kasse gebeten, während die späteren Nutznießer ohne Kinder nicht belastet werden.

Wenn Bürgermeister und SPD jetzt jammern, eine Erhöhung der Ganztagsbetreuung von 76 auf 135€ sei fast eine Verdoppelung, müssen sie sich fragen lassen, warum sie über 7 Jahre nicht überprüfen ließen, ob die Gebührenhöhe ausreichend ist, um das Drittel Elternanteil zu erreichen. Deshalb erscheint die jetzt notwendige Steigerung überproportional groß. Die ist aber zu einem nicht geringen Teil von denen verursacht, die jahrelang Anpassungen versäumten. Im Gegenteil, man machte weitere Geschenke, z.B. indem man das LKJ völlig gebührenfrei stellte, obwohl das Land nur eine Betreuung von 5 Stunden bezahlte, was auch Bebra und Alheim nur freistellen. Zusätzlich – obwohl für das Bambini gar nichts bezahlt wurde, gab man für das zweite Kind noch 50% Nachlass, was bedeutete, dass man für 2 Kinder nicht 150%, sondern nur 50% bezahlte. Die jetzigen Härtefälle, die die SPD beklagt, hat somit zum großen Teil die Verwaltung mit dem Bürgermeister an der Spitze zu verantworten. Sie wurden einerseits durch versäumte Anpassungen, andererseits durch nicht nachvollziehbare ungerechtfertigte Vergünstigungen erst geschaffen, deren Abbau nun überfällig und richtig ist und der Gerechtigkeit dient. Sie sind kein Argument gegen die neue Satzung.

Als vor 18 Jahren die Staffelgebühren eingeführt wurden, waren sie weit sozialer als heute. Jetzt ist selbst unser Steuersystem gerechter und sozialer. Damals wurden vom Familieneinkommen Sozialversicherungsbeiträge, gezahlte Steuern, Kinderfreibeträge und sogar Abschreibungen nach §7b bzw. 10 e abgezogen. Letzteres war überzogen, aber die anderen Abzüge relativierten die Einkommenshöhen erheblich. Der Sündenfall begann, als der Bürgermeister anordnete, bei der Berechnung des Familieneinkommens die Kinderfreibeträge nicht mehr anzuerkennen, obwohl die Satzung dies vorsah. Ich habe ihn damals beschworen, diese Praxis aufzugeben, da dies nur nach einer Satzungsänderung möglich sei, andernfalls werde geklagt und die Stadt falle genauso auf den Bauch wie bei der Wasseruhrenaffäre. So kam es auch, die Stadt verlor vor dem Verwaltungsgericht. Heute verlangt man Gebühren, die sich allein am Bruttoeinkommen orientieren. Weder Sozialversicherungsbeiträge noch Krankenkasse oder gezahlte Steuern werden berücksichtigt, obwohl  bereits da die etwas mehr Verdienenden weit überdurchschnittlich gegenüber den gering Verdienenden belastet werden. Bei den Staffelgebühren ist es auch egal, ob Single oder Ehepaar vom Einkommen leben muss. Nur die Höhe des Kindergelds wirkt sich mindernd aus. Der Single mit 1 Kind und der Familienvater mit Frau und 1 Kind haben bei gleichem Bruttoeinkommen von 75 128 € beide 3600 € Kindergartengebühr zu zahlen. Und wer kein Kind hat, spart sich das auch noch. Ist das etwa gerecht und sozial?

Berechnung der Elternbelastung

Berechnung Elternbelastung - KitaGebuehren

Und da soll sich Leistung lohnen?? Was ist daran gerecht???

Nun wird gesagt, die Staffelgebühren sind doch vom Bundesverfassungsgericht überprüft und in Ordnung befunden worden. Stimmt, es wurde bestätigt, dass sie formal korrekt zustande gekommen sind und man es so machen kann. Es wurde aber nicht gesagt, dass es so gemacht werden muss. Rotenburg ist die einzige Gemeinde im Landkreis mit Staffelgebühren für die Kitas. Landesweit sind es nur wenige Kommunen. Unsere ZUBRANachbarn Alheim und Bebra haben einheitliche Gebühren je nach Leistung. Nun wurde im Sommer auch gerichtlich bestätigt, dass Gemeinden, deren Kindertagesstätten von Kindern aus Nachbargemeinden besucht werden, gegenüber der  Wohnortgemeinde einen Anspruch auf Kostenausgleich haben. Laut Urteil: „Dem Kostenausgleich unterliegt der gesamte, nicht durch Einnahmen gedeckte Aufwand pro Platz mit Ausnahme der – …. – Investitionskosten.“

Das bedeutet im Klartext: Wenn eine Familie, die in Rotenburg 300 EUR monatlich zahlen müsste, ihr Kind in Bebra anmeldet, weil die Ehefrau z.B. dort arbeitet, so zahlt sie dort 98 EUR ganztags. Bebra kann nun von uns die Differenz von 202 EUR verlangen, falls dort ebenfalls Kosten von 300 EUR/Platz entstehen. Was haben wir gewonnen? Nichts! Dann können wir auch gleich unseren eigenen Bürgern den Nachlass geben. Schon aus diesen Gründen und im Sinne von ZUBRA sind wir aufgefordert, unser Gebührensystem den Nachbarn anzugleichen. Nach 18 Jahren Experimentieren darf und sollte man von den Staffelgebühren Abschied nehmen.

Vorhin schon habe ich erwähnt, dass die Staffelgebühren mit dem Zuschusssystem des Landes nicht kompatibel sind und das Regierungspräsidium uns bei seinen Berechnungen stark benachteiligt. Was er uns für das Bambiniprogramm gibt, zieht er fast in gleicher Höhe wieder bei den Zuwendungen beim Landesausgleichsstock ab. Die Stadt zahlt das Bambini-Programm letztlich aus eigener Tasche, eine gewaltige Mogelpackung. Ich weiß nicht, wem das in dieser Deutlichkeit schon aufgefallen ist.

Die Kosten im letzten Kindergartenjahr betrugen 334.965€ in 2010 . Davon 2/3 Stadt sind 223.310€ + 1/3 Elternbeiträge 111.655€. Entsprechend der Abdeckung unserer Elternbeiträge im restlichen Kitabereich würden wir 102.180€ einnehmen. Nur 9.475€ würden beim Ausgleichsstock nicht berücksichtigt, weil die 2/3 Pflichtaufgabe der Stadt sind. Seit das letzte Kindergartenjahr kostenlos ist und das Land 1200€ jährlich pro Kind übernimmt, also 84.500€ im Jahr, fehlen 27.155€. Diese addiert das Land zu den 2/3 = 223.310€ und behauptet nun wahrheitswidrig, 1/3 von diesen 250.465€ oder 83.488€ seien freiwillige Leistung und diese müsse man bei den Zuwendungen des Landesausgleichsstockes kürzen. Von der großzügigen Bambiniförderung bleiben uns gerade mal 10.487 €, ein Witz!!

Der RP erwartet nach seiner Berechnung, dass die anderen Gebührenzahler diese 83.488€ abdecken, wofür bei uns wiederum nur diejenigen in Frage kommen, die hohe Staffelgebühren zahlen müssen. Die Staffelgebühren dienen somit nicht dem sozialen Ausgleich, wie man immer wieder behauptet, sondern dem Stopfen der Löcher, die durch das kostenfreie letzte Kindergartenjahr entstanden sind. Das dürfte rechtlich angreifbar sein. Anderswo wirkt es sich so aus, dass die Eltern über die höheren Beiträge der ersten Jahre – ohne es zu wissen – das letzte Kindergartenjahr selbst vorfinanzieren müssen. Ein klassischer politischer Taschenspielertrick. Setzt die Stadt das Spielchen nicht ebenso fort und nimmt die Eltern nicht in Anspruch, bleibt sie selbst drauf sitzen.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie vergiftet die Wohltaten der Landesregierung sind, sind die Integrationsmaßnahmen.

Das Land gab für 7 Integrationsmaßnahmen 107.228€ (etwas mehr als 16.000€ je Kind). Damit soll der zusätzliche Personalaufwand abgedeckt werden. Angenommen dies reicht aus, bleibt ein anderer finanzieller Nachteil unberücksichtigt. Kommen ein oder zwei der Integration bedürftiger Kinder in eine Gruppe, sinkt die Gruppenstärke von 25 auf 20 Kinder. Bei 7 Integrationsmaßnahmen gehen  mindestens 14 Kita-Plätze verloren und damit auch erzielbare Einnahmen. Geht man davon aus, dass ein Kita-Platz im Durchschnitt 100€ monatlich einbringt, sind das 16.800 € entgangene Einnahmen, mit denen man 50.400€ Aufwand als Drittel bedienen könnte. Diese 16.800 € müssen komplett von den übrigen Eltern aufgebracht werden.

Hier müssen wir uns zur Wehr setzen! Der Bürgermeister meint zwar, man müsse hier vorsichtig sein, sonst ziehe man und das anderswo wieder ab, aber ich denke, dergleichen offensichtliche Ungerechtigkeiten müssen angesprochen und notfalls auch angeprangert werden.

Weitere Argumente für die neue Satzung

Ein wichtiges Argument für die neue Gebührensatzung ist ein erheblicher Abbau an Bürokratie verbunden mit Zeit- und Kosteneinsparungen bei Verwaltung und den Bürgern. Kindergarteneltern werden nicht mehr zu Almosenempfängern degradiert, denen zugemutet wird, mit ihren Steuerbescheiden als Bittsteller um einen Nachlass aufzutreten. Keiner braucht mehr zu fürchten, sein Steuergeheimnis sei in Gefahr.

Die Staffelgebühr verursachte bei der Verwaltung in 3 Jahren mindestens 8 Bescheide, in 5 Jahren (mit Krippe) 12. Bei Umstufung von halbtags zu ganztags oder umgekehrt, bei Änderungen des Einkommens im Jahr wegen Arbeitslosigkeit eines Ehegatten oder anderen Anlässen, was auch mehrmals passieren  konnte oder wenn der Steuerbescheid vorläufig war, löste dies jedesmal einen neuen Gebührenbescheid aus, manchmal wegen 1€ Veränderung. Da konnten sich von der Krippe bis zum Schulbeginn locker 15 Bescheide und mehr ansammeln. Hinzu kamen ständige Vorsprachen der Eltern mit  Steuerbescheiden/Verdienstbescheinigungen, Nachfragen, Erklärungswünschen usw. Andere Eltern mussten z.T. mehrmals angemahnt werden, überhaupt die Unterlagen vorzulegen. Mit Widerspruchsverfahren und/oder Klagen musste gerechnet werden. Die neue Satzung erspart den größten Teil dieses Verwaltungsaufwands. Sofern keine Gebührenanpassung oder Umstufung erfolgt, wird man vom 1.Tag in der Krippe bis zum Übergang in die Grundschule nur noch 1 Gebührenbescheid erstellen müssen. Wir schätzen die Ersparnis der Stadt für Porto, Sachkosten und Personal auf 30.000€ jährlich.

Weiterer Nutznießer der Staffelgebühren war bisher der Kreis mit jährlich fast 20.000€, die er für sozial schwächere Familien auf Antrag übernimmt. Anderswo muss er pro Kind die normalen Sätze zahlen, bei uns die ermäßigten. Das ist nicht einzusehen. Er wird jetzt wie überall sonst im Kreis die Festgebühren übernehmen müssen.

Die hohen Staffelgebühren schrecken auch junge Familien ab, ihren Lebensmittelpunkt ins schöne Rotenburg zu verlegen – besonders, wenn beide Eltern berufstätig sind. Sie ziehen oft andere Gemeinden mit festen, nur nach der Leistungsinanspruchnahme differenzierenden Gebühren für die Kinderbetreuung vor. Dadurch geht der Stadt viel Kaufkraft verloren,weil junge Familien mehr Geld für den täglichen Bedarf benötigen und auch noch Anschaffungen tätigen. Sie beleben die Geschäfte sowie den WohnungsImmobilien- und Arbeitsmarkt. Ihre Einkommensteueranteile erhält die Stadt. Wer 300 EUR oder gar 450 EUR für 2 Kinder plus Essensgeld monatlich bezahlen muss, überlegt sich sehr wohl, ob er nach Rotenburg zieht oder lieber nach Alheim, Bebra oder gleich nach Bad Hersfeld. Wir müssen aber nicht nur für Senioren, sondern auch für junge Familien attraktiv sein, wenn wir eine lebendige Stadt haben wollen. Wir wissen, dass schon in der Vergangenheit wegen der überhöhten Beiträge eine Art der Privatisierung, ein Ausweichen in eigene Betreuungsangebote durch Betreuung in Selbsthilfe erfolgte, was dann ungewollt zu einem Zweiklassensystem im Vorschulalter führen kann. Und das in Hessen im Zeitalter der Gesamtschule. Mögliche Folgen: Abbau des Mangels an Kindergartenplätzen bis hin zur Nichtauslastung der Kindergärten im schlimmsten Fall. Das kann auch die SPD nicht ernsthaft wollen.

Trotzdem verteidigt die Rotenbruger SPD mit Zähnen und Klauen die Staffelgebühr, wo die einen Bürger bis zum Vierfachen dessen zahlen sollen, was andere zahlen, weil sie etwas mehr verdienen, während sie andererseits auf Kreisebene – und unser Bürgermeister ist dort immerhin Fraktionsvorsitzender – kostenloses Mittagessen für alle Schüler fordert, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Diesen Widerspruch muss man uns mal erklären. Wir fragen uns auch, ob die anderen SPD-Fraktionen und Bürgermeister im Kreis – einige gibt es ja noch – weniger sozial denken als in Rotenburg.

Zu den weiteren Redebeiträgen der SPD muss ich ein paar Anmerkungen machen. Der runde Tisch hat einstimmig bei einer Enthaltung die vorgelegte Gebührensatzung verabschiedet. Der Kindergartenbeirat hat mit 14 Ja, 2 Nein (SPD) und 6 Enthaltungen (Erzieherinnen) die neue Satzung ebenfalls mit überwältigender Mehrheit angenommen. Beides hat Gewicht!

Die SPD hat außer ideologischen Kampfansagen keinen einzigen produktiven Beitrag dazu geleistet oder Vorschläge gemacht,wie man z.B eine modifizierte Staffel beibehalten könnte. Alles, was uns die Redner der SPD in punkto unsozial, ungerecht, usw. vorgeworfen haben, juckt uns nicht, denn wir sind in guter Gesellschaft, denn die gleichen Vorwürfe müssten Sie ebenfalls auch all ihren Kollegen im Landkreis und anderswo machen.

Die UBR hat vor der Kommunalwahl deutlich gesagt, dass sie die Staffel abschaffen will. Herr Fehr hat gesagt, mit ihm werde es keine Abschaffung der Staffelgebühren geben. Das wird es auch nicht, denn er hat die Wahl verloren ebenso wie die SPD die Kommunalwahl. Das sollte die SPD endlich mal zur  Kenntnis nehmen.

Eine Wahlanalyse derart: „Unsere Wähler sind zu Hause geblieben“, reicht da nicht. Man muss auch die nächste Frage stellen, warum das so war.

Und da haben Staffelgebühren, Muzkkka und Bütz jeweils große Anteile daran. Die Wähler hatten von 10 Jahren SPD-Alleinherrschaft in Rotenburg einfach genug, von der Selbstherrlichkeit, mit der  teilweise mit Fraktionszwang Beschlüsse durchgepeitscht wurden, die die Bürger nicht verstanden. Die Beiträge und Einwände der Opposition wurden fast immer nicht zur Kenntnis genommen oder einfach vom Tisch gewischt. Und jetzt, wo die SPD nicht mehr das Sagen hat und von den Wählern in die Opposition verwiesen wurde, jammert sie, als ob die Demokratie in Rotenburg verloren gegangen wäre.
Für mich ist das ein dejavue-Erlebnis. Das gabs doch schon mal, nur mit umgekehrtem Vorzeichen? Vor genau 18 Jahren, als die CDU Parlamentsmehrheit und Bürgermeister verloren hatte und wir mit der SPD einen Neuanfang starteten.

Ich wünsche der SPD, dass sie keine 18 Jahre braucht, um wieder Tritt zu fassen.